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Le Corbusiers
Farbenskala
Ein Vortrag über "Polychromie architecturale" das Farbkonzept des
Bauhauskünstlers
und Architekten Le Corbusier, anläßlich der hervoragend geglückten
kompletten
Rekonstruktion seines Farb-Systems. Dr. Karin Trautheit ist Gründerin und
Geschäftsführerin
von kt.color. Die Schweizer Firma stellt Le-Corbusier-Farben her. Diesen
Vortrag hielt
Dr. Trautheit in Frankfurt. Wir danken hier für die Widergabe einer
gekürzten Fassung.
An einen Träger gebundene Farbe sei es ein
Gemälde, ein bunter Fisch. eine Wand oder ein Dachziegel, setzt ein
Pigment voraus: eine Substanz, die uns Licht farbig erscheint. Die Suche
nach schönen, färbenden Pigmenten und ihre Herstellung beschäftigt den
Menschen seit Jahrtausenden. Quecksilberrot mini Beispiel. das
traditionelle Zinnober war schon im alten Ägypten als natürlich
vorkommendes Pigment bekannt, seit 800 nach Christus wurde es auch
künstlich hergestellt. Für echtes Ultramarin wurden Schiffe über all,
Meere geschickt. später konnte das Pigment in Frankreich künstlich
hergestellt werden. Das echte französische, Ultramarin ist heute noch ein
Qualitätsbegriff.
Mit Architektur scheint dies, wenn wir das heutige Farbangebot für das
Bauwesen betrachten, nur wenig zu tun zu haben: Farbnamen wurden durch
Zahlenfolgen ersetzt, historische Farbtöne durch bestimmte Koordinaten auf
kugelförmigen Anordnungen.
Caput mortuum (Totenkopf), tatsächlich ein
ungiftiges Pigment, gib' es nicht mehr; dafür gibt es S 7020 RIO B. Das S
7020 RIO B wird ohne Caput mortuum hergestellt, weil die rationelle
Farbenherstellung mit dem seit dem Jahre 1500 hergestellten Pigment nichts
mehr am Hut hat. Die Reduktion einer großartigen Farbenvielfalt auf mehr
oder wenig günstig zu produzierende Farben war aber nicht die Sache Le
Corbusiers. Er setzt, sich mit größter Überzeugung gegen eine Trennung von
Kunst
und Architektur ein; die Verwendung eines gleichen Farbpigmentes in beiden
Bereichen bestätigt seine Auffassung: Ultramarinblau z. B. wird in einem
1512 entstandenen Gemälde von Raffael zur Erzeugung räumlicher Tiefe
verwendet: die gleiche Wirkung erzielt es in einem von Le Corbusier
entworfenen Haus der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Gute Architektur hatte
also hohe künstlerische Ansprüche zu erfüllen.
Le Corbusier suchte sich eine Palette von
Farbtönen zusammen. die aus kulturell wichtigen Pigmenten und deren
Aufhellungen gemacht werden konnten. Diese Berufung auf eine Farbpalette
mit großer kunsthistorischer Bedeutung ist etwas Einzigartiges an Le
Corbusiers Farbskala. Wenn wir die Kunst und die Architektur alter
Kulturen betrachten – wie Le Corbusier auf seinen Reisen – finden wir
gewisse wiederkehrende Farben. Häufig waren es Farben aus leicht
zugänglichen Pigmenten: gelbe und braune Naturerden oder verkohlte Knochen
und Äste gab es überall. Jede Kultur hatte Ocker- und Schwarzpigmente zur
Verfügung, die daraus entstandenen Farben können als „zeitlos” gelten.
Vierzehn solche Farben bilden das Gerüst der Le Corbusier-Farbenreihen.
Diese "Zeitlosigkeit" ist ein faszinierendes Element der Polychromie Le
Corbusiers. Das andere faszinierende Element ist die Harmonie. So wie alle
Dreiklänge auf einem gut gestimmten Musikinstrument eine Harmonie
beinhalten – mal melancholisch, mal heiter und leicht –, so können mit der
Polychromie immer neue Farbstimmungen mit einer inneren Ruhe, erzeugt
werden.
Wie
mischt man etwas originalgetreu nach,
wenn das Original sich selbst nicht treu ist?
Diese Farben wollten wir in unserer kleinen
Farbenmanufaktur im Zürcher Oberland produzieren. Von der Fondation Le
Corbusier bekamen wir briefmarkengroße Muster aller Originalfarben und
Farbchips aus alten Le-Corbusier-Bauten. Als Zeitzeugen aus der ersten
Hälfte des letzten Jahrhunderts waren sie beeindruckend, als Mischvorlagen
aber eine Katastrophe: klein, vergilbt, brüchig und ungleichmäßig
verfärbt. Dem Interpretationsspielraum schienen keine Grenzen gesetzt. Wir
standen vor einem Rätsel: Wie mischt man etwas originalgetreu nach, wenn
das Original sich selbst nicht treu ist? Wir Mitten Farbnamen, die auf
Pigmente hinwiesen. Mit diesen Namen und der Tatsache, daß kräftige Töne
von Vergilbung weniger verändert werden, konnten wir die satten, tiefen
Volltonfarben einigermaßen sicher nachvollziehen. Eine dunkle gebrannte
Umbra eines Künstlers wie Lc Corbusier muß die samtige Tiefe und Wärme des
echten Pigments haben. Die zypriotische gebrannte Umbra. die wir im
Welschlandauftrieben, zeigte eine gute Übereinstimmung mit den Vorlagen.
Fine größere Herausforderung bestand im Aufspüren von guten Ersatzstoffen
für giftige Pigmente wie Bleiweiß oder Chromrot. Die Alternativen mußten
genauso ausdrucksstark sein und auf Fassaden angewendet werden können.
Gebräuchliche
Rot- und Gelbpigmente scheiterten hier, also mußten wir auf andere
Pigmente zurückgreifen. Wir fanden sie schließlich im Sortiment von einigen
Herstellern von Spezialchemikalien für besondere Ansprüche, mit sehr guten
Misch- und Bewitterungsergebnissen. So konnten wir im Januar 2000 20
ausdrucksstarke Farbtöne unter dem Namen „Polychromie Le Corbusier” auf
den Markt bringen. Im Gegensatz zur früheren, 1932 entstandenen
Farbpalette Le Corbusiers waren diese Töne für die Anwendung auf
naturbelassenem Material wie Holz, Kalk und Beton gedacht. Die satten
Farben bilden starke Kontrasteffekte untereinander und im Zusammenhang mit
den Baustoffen dieser Zeit. Le Corbusiers frühere Farbreihe hingegen kam
auf den weißen Bauten der puristischen Zeit zur Geltung. Dafür brauchte er
weichere Kontrasteffekte, eine größere Farbtonswahl und hellere Töne.
Unser Problem: Aus den vergilbten Vorlagen konnten wir keine zuverlässigen
Rückschlüsse auf die Pigmente ziehen. Wir brauchten eine weitere
Orientierungshilfe. Le Corbusier war ein großer Systematiker, also suchten
wir nach einem System. Unsere ..Problemkinder" waren alle aus einer
Tapetenkollektion. die Le Corbusier in Zusammenarbeit mit der Firma
Salubra auf den Markt gebracht hatte „Farben auf Rollen” nannte er das
Prinzip, und die Farben waren gekennzeichnet. IC 32001' hieß der erste Ton
im Musterbuch, und 'LC 32142' der letzte Ton. LC steh' für Le Corbusier
und 32 für das Jahr der Herausgabe. 1932. Die letzten 3 Ziffern waren in
Gruppen gegliedert 32010, 32011, 32012. 32013 beschreibt eine Reihe von
heller werdenden Grautönen. Der hellste war schrecklich gelb und der
Unterscheid zwischen 32011 und 32012 war nicht ersichtlich. Wir mußten
aber annehmen, daß die ganze Reihe mit schwarzem Naturpigment abgetönt
war, daher der gemeinsame Familienname. Ebenso bei den weiteren Reihen:
das Pigment Ultramarinblau in Ton 32020 mußte auch in den weiteren Tönen
der 20er Reihe zur Geltung kommen. Dabei war klar, daß die hellste
Abstufung 32024 nicht grüngrau sein durfte, wie es die alten Tapeten sind,
sondern es mußte ein weiches Blaugrau sein. Eine Frage blieb dennoch
offen: welche Abstufungen mußten die Farben haben? Wie hell sollten zwei
helle Blautöne dort, wo sie gleich gelb geworden waren, tatsächlich sein?
Hilfe kam von einem Künstler aus Berlin, wie Le Corbusier ein Systematiker
mit künstlerischer Begabung und einem scharfen logischen Verstand. Die
Aufhellungsreihen müssen, so meinte er, konsequent durchgeführt sein, die
Abstufungen präzise. Die zweite Grauabstufung muß dieselbe Helligkeithaben
wie die zweite Orange- oder Himmelblauabstufung. So konnte Le Corbusier
als Architekt die Kontrasteffekte im Raum am besten modellieren. Wir
begannen mit der Angleichung der Aufhellungen. Als wir unsere Ergebnisse
den Le-Corbusier-Experten vorlegten, kam Zustimmung: eine unverkennbare
Logik war gefunden, ein hervorragender Filter zur Entfernung von
Altersspuren. Erst arbeiteten wir mit dem prinzipiellen Charakter des
Pigments. Ultramarinblau, egal wie hell, darf nicht grün sein, arbeiteten
wir mit der Helligkeit: kein mittlerer Ton durfte den nächsten erschlagen.
Dann setzten wir die Reihen wieder zusammen und legten beispielsweise die
grünen Umbratöne aneinander. Dabei fielen manche Farben aus dem Rahmen,
die Farbklänge waren unbefriedigend. Ein blauer Ton wirkte neben den
anderen zu grau oder rotstichig. Also mischten wir verschiedene
Interpretationen der Originalfarbtöne und legten sie mit ihren nächsten
Nachbarn auf eine weiße Fläche. Jeder Vorbeikommende wurde befragt:
welcher Ton stimmt in der Reihe?
Da geschah etwas Erstaunliches: beim Vorliegen verschiedener Varianten
eines Grauwertes entschieden sich alle ohne Ausnahme für denselben
Farbton. Manche Töne mußten x-mal ausgemischt werden, bis wir in die Nähe
des gesuchten Tons gelangten. Häufig unterschieden sich die Töne kaum
voneinander. Oder es war wie in der Parfümerie: die Sinne waren
übersättigt und kein Ton konnte mehr vom Anderen unterschieden werden. Und
doch: am nächsten Morgen, frisch betrachtet, stimmte eine Mischung, die
andere aber nicht.
Auch beim Besuch Professor Rüeggs, eines ausgewiesenen Experten der
Farbenreihe
Le Corbusiers, blieb es hei dieser Form, den richtigen Farbton zu treffen:
er schaute sich unsere Farbreihe an und sagte: das Hellgrün stimmt nicht —
nicht, weil er die Vorlage zur Hand hatte, sondern weil die Farbreihe
keinen sauberen Klang hatte. Um Le Corbusiers ehrgeiziges Ziel für den
Architekten aufzugreifen: die auf Naturgesetzen beruhende Harmonie soll in
der Baukunst ersichtlich gemacht werden. Das Erreichen des Ziels führt zu
einer Zustimmung, die den persönlichen Vorlieben übergeordnet ist. Diese
Widererkennbarkeit von Momenten der kompletten Harmonie war der Grund, daß
wir uns auf diese Art auf den Farbwert des ursprünglichen Tons einigen
konnten. Aufgrund dieser Harmonie und weil diese Farbreihe eine geniale
Verbindung zwischen emotionalen Überlegungen und systematischem Aufbau
vorweist, bildet sie ein einzigartiges Arbeitsinstrument für die
Farbgestaltung. Kontrasteffekte im Farbton, Helligkeit, Wärme der Kälte
können gezielt gesteuert werden, um Dissonanzen aufzuheben und wohltuende
Stimmungen zu erzeugen.
Für weitere Informationen dazu eine
empfehlenswerte Webadresse:
http://www.farbrat.de
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